Corona-Impfung für das Kind-wer entscheidet?

Ich hatte zu diesem Thema schon einmal hier etwas geschrieben. Bei der Frage der Impfung handelt es sich auf jeden Fall um eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung nach § 1628 BGB und nicht um eine Angelegenheit des täglichen Lebens. Das bedeutet, dass die Entscheidung ,ob das Kind geimpft werden soll bei gemeinsamen Sorgerecht auch gemeinsam getroffen werden muß.

Der BGH hat hierzu am 03.05.2017 (nachzulesen hier) entschieden, dass die Entscheidungsbefugnis dem impfwilligen Elternteil alleine übertragen werden kann, wenn es sich um eine Standardimpfung handelt und dieser Elternteil den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) folgt.

Nun hat die Corona-Pandemie unser aller Leben doch stark beeinträchtigt und wir wurden mit Fragen und Problemen konfrontiert, die sich viele von uns wahrscheinlich nicht einmal in ihren kühnsten Träumen ausgemalt hätten. Damit einher gehen auch Erkenntnisse und ein Wissen, das keiner von uns für möglich gehalten hätte. Inzidenzen, Hospitalisierungsrate, Lockdown sind Begriffe, die uns in Fleisch und Blut übergegangen sind. Kaum etwas erhitzt allerdings die Gemüter scheinbar so sehr wie die Impfung. Vermutlich waren für die meisten von uns vor Corona Begriffe wie RNA-Impfstoff, Lebendimpfung, Totimpfstoff etc. eher von marginaler Bedeutung.

Nun spielen sie allerdings eine große Rolle.

Nachdem die STIKO die Corona-Impfung für Kinder ab 12-Jahren und wohl bald auch ab 5 Jahren empfiehlt, ist damit auch neuer Zündstoff zwischen Eltern geschaffen.

Wert entscheidet also über die Corona-Impfung des Kindes bei gemeinsamen Sorgerecht?

Eine erste Entscheidung des OLG Frankfurt liegt vom 17.08.2021 (nachzulesen hier) vor, weitere werden bestimmt folgen. Das OLG München hat am 18.10.2021 unter Aktenzeichen 26 UF 928/21 ebenso wie das OLG Frankfurt entschieden.

Beide Oberlandesgerichte folgen im Wesentlichen der bisherigen Rechtsprechung und übertrugen die Entscheidungsbefugnis dem impfwilligen Elternteil, der den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) folgt. Das OLG betonte, dass auch der Kindeswille nach § 1697 a BGB zu beachten sei, wenn Alter und Entwicklungsstand des Kindes es ihm erlauben, sich eine eigenständige Meinung zum Streitthema zu bilden. Diese Voraussetzungen lagen vor, auch das Kind befürwortete die Impfung. Die Entscheidung ist rechtskräftig. In dem entschiedenen Fall war das Kind 16 Jahre alt und besaß damit durchaus auch die Reife, sich eine eigene Meinung zu bilden. Spannend wird das Thema, wenn die STIKO die Impfung ab 5 Jahren empfiehlt und sich Eltern jüngerer Kinder uneins sind.

Das OLG München hat noch betont, dass es nicht Aufgabe des Gerichts ist, statt dem Elternteil zu bewerten und die Entscheidung darüber zu treffen, ob das Kind geimpft werden soll oder nicht. Das Gericht hat sich vielmehr am Kindeswohl zu orientieren und die Entscheidungsbefugnis dem Elternteil zu übertragen, der das für das Kindeswohl bessere Konzept verfolgt. Und das wird in der Befolgung der Empfehlungen der STIKO gesehen.


Impfung des Kindes bei gemeinsamen Sorgerecht

Der BGH hatte am 03.05.2017 unter Az. XII ZB 157/16 eine Sache zu entscheiden, in welcher sich die gemeinsam sorgeberechtigten Eltern nicht über die Impfung der bei der Mutter lebenden Tochter einigen konnten.

Der Vater befürwortete die Durchführung der altersentsprechenden Schutzimpfungen, die durch die Ständige Impfkommission am Robert Koch-Institut (STIKO) empfohlen werden. Die Mutter war der Meinung, das Risiko von Impfschäden wiege schwerer als das allgemeine Infektionsrisiko. Nur wenn ärztlicherseits Impfschäden mit Sicherheit ausgeschlossen werden könnten, könne sie eine anlassunabhängige Impfung ihrer Tochter befürworten.

Das Amtsgericht hat dem Vater das Entscheidungsrecht über die Durchführung von Impfungen übertragen. Auf die Beschwerde der Mutter hat das Oberlandesgericht es bei der Übertragung der Entscheidungsbefugnis auf den Vater belassen, diese aber auf Schutzimpfungen gegen Tetanus, Diphtherie, Pertussis, Pneumokokken, Rotaviren, Meningokokken C, Masern, Mumps und Röteln beschränkt.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Weiterlesen


Wie liest man die Düsseldorfer Tabelle? Die Berechnung von Kindesunterhalt

Wenn man bei google Kindesunterhalt eingibt, erscheinen unzählige Beiträge. Es begegnet dabei stets die Düsseldorfer Tabelle.

Da ich in meiner Beratung immer wieder feststelle, dass es bei der Anwendung der Düsseldorfer Tabelle zu Missverständnissen kommt, will ich hier einige immer wieder auftretende Fehler im Zusammenhang mit der Düsseldorfer Tabelle aufzeigen. Weiterlesen


Düsseldorfer Tabelle seit 01.01.2018, neue Sätze zum Kindesunterhalt

Mit etwas Verspätung hier die neue Düsseldorfer Tabelle zum Kindesunterhalt, welche seit 01.01.2018 gültig ist. Der Gesetzgeber musste mal wieder ein paar Änderungen durchführen und eine bloße Änderung der Tabellensätze tut es da offenbar nicht. Es wurden die Einkommensgruppen angepasst, was nun tatsächlich gerade in den unteren Einkommensgruppen zu einem geringeren Unterhalt als bisher führen kann. Weiterlesen


Wechselmodell auf Anordnung des Gerichts

Ich hatte ja bereits hier in einem Beitrag über das Wechselmodell geschrieben. Dort hatte ich den damaligen Stand dargestellt, dass die gerichtliche Anordnung des Wechselmodells gegen den Willen eines Elternteils nicht möglich ist.

Ich werde dies nun umschreiben müssen, denn am 27.02.2017 hat der BGH eine bemerkenswerte Entscheidung erlassen (nachzulesen hier) und festgestellt, dass ein paritätisches Wechselmodell auch vom Gericht angeordnet werden kann. Weiterlesen



Jobcenter darf Kindergeldzahlungen nicht auf 6 Monate verteilen

Heute mal eine Entscheidung, die nur mittelbar das Familienrecht betrifft.

Es ist nicht unüblich, dass vom Jobcenter Kindergeldzahlungen als Einkommen gewertet und auf 6 Monate umgelegt werden. Dieser Praxis hat nun das Sozialgericht Berlin in einem Beschlug vom 08.07.2016 (Az S 63 AS 7815/16 ER) einen Riegel vorgeschoben.

Nach der Rechtsprechung des BSG sind als laufende Einnahmen nur solche zu werten, die auf demselben Rechtsgrund beruhen und regelmäßig erbracht werden. Einmalige Einnahmen hingegen stellen auch nur eine einzige Leistung dar. Für die Qualifizierung einer Einnahme als laufende Einnahme reicht es danach aus, wenn sie zwar nicht „laufend“, sondern in einem Gesamtbetrag erbracht wird, aber nach dem zugrunde liegenden Rechtsgrund regelmäßig zu erbringen gewesen wäre. Diese entscheidend auf den Rechtsgrund abstellende Sichtweise ermöglicht auch in Fällen mit Leistungsstörungen eine klare und praktisch gut handhabbare Abgrenzung, denn Rechtgrund und vereinbarter Turnus von Zahlungen sind in der Regel einfach feststellbar (BSG, Urteil vom 24. April 2015 – B 4 AS 32/14 R).

Das führt dazu, dass es sich bei Kindergeldnachzahlungen zwar um eine laufende Einnahme handelt, die allerdings nur im Monat des Zuflusses anzurechnen ist (näheres nachzulesen hier). Das bedeutet, eine Verteilung auf 6 Monate ist nicht zulässig.

 

 


Und nochmal: Urlaubsreise bei gemeinsamen Sorgerecht

Der Dauerbrenner im Kindschaftsrecht ist nach wie vor die Frage nach der Urlaubsreise eines Elternteils mit dem Kind/ den Kindern bei gemeinsamer elterlicher Sorge. Ich hatte hierzu schon einmal hier etwas geschrieben.

Die Vorschrift in diesem Zusammenhang ist § 1687 BGB- Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge bei Getrenntleben. Diese besagt:

(1) Leben Eltern, denen die elterliche Sorge gemeinsam zusteht, nicht nur vorübergehend getrennt, so ist bei Entscheidungen in Angelegenheiten, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, ihr gegenseitiges Einvernehmen erforderlich. Der Elternteil, bei dem sich das Kind mit Einwilligung des anderen Elternteils oder auf Grund einer gerichtlichen Entscheidung gewöhnlich aufhält, hat die Befugnis zur alleinigen Entscheidung in Angelegenheiten des täglichen Lebens. Entscheidungen in Angelegenheiten des täglichen Lebens sind in der Regel solche, die häufig vorkommen und die keine schwer abzuändernden Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes haben. Solange sich das Kind mit Einwilligung dieses Elternteils oder auf Grund einer gerichtlichen Entscheidung bei dem anderen Elternteil aufhält, hat dieser die Befugnis zur alleinigen Entscheidung in Angelegenheiten der tatsächlichen Betreuung. § 1629 Abs. 1 Satz 4 und § 1684 Abs. 2 Satz 1 gelten entsprechend.
(2) Das Familiengericht kann die Befugnisse nach Absatz 1 Satz 2 und 4 einschränken oder ausschließen, wenn dies zum Wohl des Kindes erforderlich ist.

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Ärztliche Untersuchung von minderjährigen Flüchtlingen ist nicht zulässig

Heute mal eine kleine Anmerkung zu einem brandaktuellen Thema, das nur am Rande das Familienrecht betrifft. Nun sind die Zeitungen voll mit Themen zur „Flüchtlingsproblematik“. Ich will hier nicht die üblichen Parolen wiederkäuen, sondern einen Punkt ansprechen, der in den Medien selten bis nie auftaucht und gerade für Personen, die in der Flüchtlingsarbeit tätig sind, durchaus bedeutend ist. Weiterlesen


Das Wechselmodell

Sowohl in der Rechtsprechung und Literatur, als auch in meiner persönlichen Praxis ist das Wechselmodell hochaktuell. Da offenbar im Bezug auf das Wechselmodell zahlreiche Unsicherheiten und auch Fehlinformationen vorliegen, will ich mich heute der Aufgabe annehmen, ein paar Zeilen zum Wechselmodell zu schreiben und so vielleicht einige Unklarheiten aus der Welt schaffen (insofern wäre dieser Artikel eigentlich auch für die Rubrik Mythen des Familienrechts geeignet).

Was ist eigentlich das Wechselmodell? Weiterlesen