Der Dauerbrenner im Kindschaftsrecht ist nach wie vor die Frage nach der Urlaubsreise eines Elternteils mit dem Kind/ den Kindern bei gemeinsamer elterlicher Sorge. Ich hatte hierzu schon einmal hier etwas geschrieben.
Die Vorschrift in diesem Zusammenhang ist § 1687 BGB- Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge bei Getrenntleben. Diese besagt:
- gesundheitliche Angelegenheiten über kleinere Kindererkrankungen (Schnupfen, Grippe etc),
- schulische Angelegenheiten wie Klassenfahrten, Klassenarbeiten unterschreiben, Elternabende etc.
- allgemeine Personensorge, wie Kleidung, Umgang mit Freunden, Freizeitgestaltung
Man kann also sagen, bei den Angelegenheiten des täglichen Lebens handelt es sich um solche, die öfter vorkommen und keine größeren Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes haben. Diese Entscheidungen können von dem Elternteil getroffen werden, bei dem sich das Kind aufhält. Das gilt im Übrigen auch für den umgangsberechtigten Elternteil. Diese Entscheidungen können auch von dem umgangsberechtigten Elternteil getroffen werden, während sich das Kind zum Umgang bei diesem Elternteil aufhält.
Dem gegenüber stehen die Entscheidungen von erheblicher Bedeutung,die schwer abzuändernde Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes haben, so z.B.:
- die Wahl des Namens oder der Staatsangehörigkeit
- die Wahl der Schule oder Ausbildung
- schwerere Erkrankungen, die z.B. einen Krankenhausaufenthalt erfordern
- die Verwaltung des Kindesvermögens
Für diese Angelegenheiten ist ist die Zustimmung beider Eltern erforderlich.
Die Frage ist nun, wie es sich denn mit der Urlaubsreise verhält. Tagesausflüge sind in jedem Fall kein Problem, diese können unternommen werden, ohne dass hierfür die Zustimmung des anderen Elternteils eingeholt werden muss.
Aus meiner Sicht sind auch Wochenendausflüge unproblematisch. Allerdings ist es bei Reisen in das Ausland immer ratsam, dennoch die Zustimmung des anderen Elternteils einzuholen. Dies alleine schon deshalb, da ungeachtet der Rechtslage in Deutschland möglicherweise die Grenzbehörden im Ausland Schwierigkeiten machen können. So kommt es nicht selten vor, dass Grenzbeamte in anderen Ländern die Situation anders beurteilen als dies in Deutschland der Fall ist und in jedem Fall die Zustimmung des anderen Elternteils fordern.
Auch kann es sein, dass der andere -von der Urlaubsreise nicht in Kenntnis gesetzte- Elternteil eine Anzeige wegen Kindesentführung erstattet. Auch wenn diese möglicherweise eingestellt wird und ein entsprechendes Verfahren wegen Kindesentführung aussichtslos ist, kann dies das Urlaubsvergnügen doch erheblich einschränken.
Ich empfehle daher, auf Nummer sicher zu gehen und die Zustimmung des anderen Elternteils einzuholen, damit dem Urlaubsgenuß nichts entgegensteht.
Wenn der andere Elternteil nun die Zustimmung verweigert, so kommt § 1628 BGB ins Spiel, der besagt:
Können sich die Eltern in einer einzelnen Angelegenheit oder in einer bestimmten Art von Angelegenheiten der elterlichen Sorge, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, nicht einigen, so kann das Familiengericht auf Antrag eines Elternteils die Entscheidung einem Elternteil übertragen. Die Übertragung kann mit Beschränkungen oder mit Auflagen verbunden werden.
Der Elternteil, der mit dem Kind in Urlaub fahren möchte, muss also die entsprechende Erlaubnis beim Familiengericht einholen.
Das Gericht orientiert sich dabei wie immer am Kindeswohl. Es gibt dabei Reisen, die unproblematisch sind, so dürfte gegen eine Wanderreise in den Bergen oder den Cluburlaub in Spanien kaum etwas einzuwenden sein. Auch muss der Elternteil, der gegen die Urlaubsreise Einwendungen erhebt, diese auch begründen.
So hat das OLG Karlsruhe (16 WF 83/07) 2007 entschieden, dass eine Urlaubsreise unbedenklich ist, weil das Reiseland sicher und von der Mutter sorgfältig ausgesucht worden sei.
Bei einer mehrstündigen Flugreise kommt es hingegen auf das Alter des Kindes an. Eine Reise in ein exotisches Land kann als dem Kindeswohl förderlich erachtet werden, wenn ein Elternteil aus dem Kulturkreis stammt und die Reise auch dazu dient, Kontakt zu den Verwandten zu haben und das Kind mit dem Kulturkreis vertraut zu machen (entschieden vom OLG Hamburg 12 UF 80/11).
Anders sieht es aus, wenn die Reise in ein Bürgerkriegsland oder sonstiges Krisengebiet gehen soll. Da kann trotz Herkunft und kultureller Verbundenheit die Reise durch das Gericht versagt werden. So hat das OLG Frankfurt (5 UF 206/16) beispielsweise erst kürzlich entschieden, dass eine Urlaubsreise in die Türkei angesichts der dortigen angespannten Situation (Terrorgefahr, Putschversuch) in jedem Fall eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung darstellt und versagt werden kann, wenn der andere Elternteil die Reise für zu gefährlich hält und nicht zustimmt.
Entscheidend ist auch, ob das Kind bei der Reise Gesundheitsgefahren ausgesetzt ist, z.B. ob empfohlene Impfungen vorliegen – vom OLG Köln (14 UF 170/98) wurde beispielsweise eine Mutter die Reise in ein afrikanisches Land untersagt.
Zu bedenken ist auch, dass der Umstand, dass durch eine Urlaubsreise der Umgang des anderen Elternteils beeinträchtigt wird unberücksichtigt bleibt, dies hat das AG Osnabrück (4 F 276/12) entschieden – Urlaub geht also dem Umgang vor.
Im Ergebnis handelt es sich also um Einzelfallentscheidungen. Es empfiehlt sich in jedem Fall, den Rat eines Anwalts einzuholen und nicht einfach eine Reise zu buchen, ohne vorher mit dem anderen Elternteil zu sprechen