Fälle mit Auslandsbezug stellen für den Rechtsanwalt immer ein Haftungsrisiko dar, da stets die Gefahr besteht, dass ausländische Vorschriften übersehen werden und somit dem Mandanten ein Schaden entsteht. Ich möchte mich daher heute den Haftungsfallen bei Fällen mit Türkei-Bezug zuwenden.

Ich bin dabei auf eine interessante neue Gerichtsentscheidung gestossen, die zwar nur in wenigen Fällen zur Anwendung kommt, dann aber umso mehr Bedeutung hat.

Aufgrund der neuen Vorschriften im Internationalen Privatrecht spielt das ausländische Recht eigentlich nur noch beim Güterrecht eine Rolle. Hinsichtlich der Scheidung und des Unterhaltes ist deutsches Recht anwendbar, wenn die Eheleute in Deutschland leben (ich hatte darüber bereits hier geschrieben).

Im Güterrecht ist nach wie vor genau zu prüfen (obwohl auch hier konkrete Pläne für ein europäisches Güterrecht und eine Vereinheitlichung bestehen). Nach Art. 14, 15 EGBGB ist  für die güterrechtliche Auseinandersetzung das Recht des Landes, dem beide Ehegatten zum Zeitpunkt der Eheschließung angehörten anwendbar. Dies ist sicherlich eine reformbedürftige Regelung, aber noch müssen wir damit arbeiten.

Hatten daher beide Ehegatten bei Eheschließung die türkische Staatsangehörigkeit, so findet hinsichtlich der güterrechtlichen Auseinandersetzung bei Scheidung kein Zugewinnausgleich statt, sondern eine Auseinandersetzung der Errungenschaftsgemeinschaft, die im türkischen Recht den gesetzlichen Güterstand darstellt.

Problematisch war bisher immer die Frage der Verjährung. Nach Art. 178 des Türkischen Zivilgesetzbuches (TZGB) verjähren Ansprüche, die anlässlich der Beendigung der Ehe durch Scheidung entstehen ein Jahr nach Rechtskraft des Scheidungsurteils.

Dies stellt natürlich eine gefährliche Haftungsfalle für den hiesigen Anwalt dar, der eine Verjährungsfrist von drei Jahren gewohnt ist.

Die Frage, wann güterrechtliche Ansprüche verjähren war lange umstritten. Ich verzichte an dieser Stelle auf die genaue Darstellung der verschiedenen Meinungen, die sich auch darum drehten, ob es sich um Vermögenswerte handelte, die vor dem 01.01.2002 (also vor Änderung des türkischen Familienrechts) erworben wurden oder ob eine andere Verjährung für Immobilien gelten sollte.

Nun liegt eine aktuelle Entscheidung des Kassationshofes vom 17.04.2013 vor, die klarstellt, dass Art. 178 TZGB und die einjährige Verjährungsfrist auf güterrechtliche Ansprüche nicht anwendbar ist, sondern hier die zehnjährige Verjährungsfrist gilt.

Er begründet dies insbesondere mit der Systematik des Gesetzes. Die Verjährungsvorschrift des Art. 178 TZGB steht im Zusammenhang mit den Scheidungsfolgen des Unterhaltes und des familienrechtlichen Schadensersatzanspruches. Erst anschließend in Art. 179 TZGB folgen die Regelungen zur Auflösung des Güterstandes. Im türkischen Recht besteht hinsichtlich des Unterhaltes und des familienrechtlichen Schadensersatzanspruches ein Zwangsverbund, wobei diese Ansprüche auch von Amts wegen vom Gericht geprüft werden. Dieser Zwangsverbund besteht allerdings für die güterrechtlichen Ausgleichsansprüche nicht.

Die Entscheidung des Kassationshofes hat nun die seit Jahren geführte Diskussion gelöst und die Frage der Verjährung güterrechtlicher Ansprüche endgültig geklärt.

Für die güterrechtlichen Ansprüche nach Auflösung der Errungenschaftsbeteiligung im türkischen Recht dürfte daher künftig nicht die einjährige, sondern die zehnjährige Frist zu beachten sein, wobei natürlich angesichts der Aktualität der Entscheidung noch keine deutsche Rechtsprechung hierzu vorliegt. Es bleibt daher noch abzuwarten, wie die deutschen Gerichte dies umsetzen.

Ich will allerdings noch ein weiteres Haftungsrisiko für den Anwalt im Zusammenhang mit Türkei-Fällen ansprechen. nämlich das Problem der Güterrechtsspaltung.

Nun sieht, wie ich ja bereits dargestellt habe Art. 15 EGBGB vor, dass hinsichtlich des Güterrechts das türkische Recht zur Anwendung gelangt, wenn die Ehegatten bei der Ehschließung türkische Staatsangehörige waren.

Art. 15 Abs. 2 des Türkischen Gesetzes zum Internationalen Privatrecht (tIPRG) bestimmt, dass das unbewegliche Vermögen dem Belegenheitsrecht unterliegt.

Bei Immobilien kann es daher zu einer Güterrechtsspaltung kommen. Es kann also durchaus passieren, dass hinsichtlich des Vermögens wie Konten, Wertpapiere etc. das türkische Recht zur Anwendung kommt und hinsichtlich in Deutschland belegener Immobilien der Zugewinnausgleich durchzuführen ist. Es kann sogar so weit gehen, dass mehrere Rechtssysteme zur Anwendnung gelangen, wenn die Eheleute Immobilien in verschiedenen Ländern haben. Um hier unbillige Ergebnisse bei der Anwendung verschiedener Rechtsordnung zu vermeiden, ist auch ein Korrektiv und eine Anpassung des Ausgleichsanspruches möglich. Dies würde allerdings an dieser Stelle zu weit führen, so dass ich auf die detallierte Darstellung verzichte.

Ich möchte nur noch darauf aufmerksam machen, dass es natürlich den Eheleuten immer freisteht, durch Ehevertrag die Anwendbarkeit einer bestimmten Rechtsordnung zu vereinbaren.