Die Frage stellt sich immer wieder: Ist die Zustimmung des anderen Elternteils zu Urlaubsreisen bei gemeinsamer elterlicher Sorge erforderlich?

Dass Eltern mit ihrem Kind bzw. ihren Kindern in den Urlaub fahren wollen ist an sich nichts ungewöhnliches. Kompliziert wird es allerdings, wenn die Eltern getrennt leben, die elterliche Sorge gemeinsam ausüben und nur ein Elternteil mit dem Kind in den Urlaub fahren will. Jahr für Jahr kommt es da immer wieder zu hässlichen Szenen. Der eine Elternteil will sich und den Kindern etwas Erholung vom Alltag gönnen und setzt alles daran, mit den Kindern wegzufahren, doch der andere Elternteil ist mit der Urlaubsreise nicht einverstanden und verweigert die Zustimmung, sei es aus Rache oder aus ernst zu nehmender Sorge. Oft kann das Problem mithilfe des Jugendamtes oder einer Erziehungsberatungsstelle geklärt werden. Können sich die Eltern aber partout nicht einigen, stellt sich die Frage nach einer gerichtlichen Klärung.

Es stellt sich nun die Frage, ob die Zustimmung des anderen Elternteils überhaupt erforderlich ist und falls ja, wie man sie bekommt. Wie leider so oft bei Juristen ist die Antwort auf diese Frage eine klares: „Es kommt darauf an.“

Zentrale Vorschrift hierzu ist zunächst § 1687 BGB (Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge bei Getrenntleben):

(1) Leben Eltern, denen die elterliche Sorge gemeinsam zusteht, nicht nur vorübergehend getrennt, so ist bei Entscheidungen in Angelegenheiten, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, ihr gegenseitiges Einvernehmen erforderlich. Der Elternteil, bei dem sich das Kind mit Einwilligung des anderen Elternteils oder auf Grund einer gerichtlichen Entscheidung gewöhnlich aufhält, hat die Befugnis zur alleinigen Entscheidung in Angelegenheiten des täglichen Lebens. Entscheidungen in Angelegenheiten des täglichen Lebens sind in der Regel solche, die häufig vorkommen und die keine schwer abzuändernden Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes haben. Solange sich das Kind mit Einwilligung dieses Elternteils oder auf Grund einer gerichtlichen Entscheidung bei dem anderen Elternteil aufhält, hat dieser die Befugnis zur alleinigen Entscheidung in Angelegenheiten der tatsächlichen Betreuung. § 1629 Abs. 1 Satz 4 und § 1684 Abs. 2 Satz 1 geltend entsprechend.

(2) Das Familiengericht kann die Befugnisse nach Absatz 1 Satz 2 und 4 einschränken oder ausschließen, wenn dies zum Wohl des Kindes erforderlich ist.

Das bedeutet, dass nur dann die Zustimmung des anderen Elternteils erforderlich ist, wenn eine Urlaubsreise eine Entscheidung von erheblicher Bedeutung für das Kind darstellt.

Geht man hingegen davon aus, dass es sich bei der Urlaubsreise um eine Entscheidung des täglichen Lebens handelt, so kann die Entscheidung darüber der Elternteil alleine treffen, bei dem sich das Kind gerade aufhält.

Die Rechtsprechung beurteilt diese Frage zwar sehr unterschiedlich, aber man kann wahrscheinlich auf einen Nenner gebracht sagen, dass es auf das Urlaubsziel ankommt

Ist lediglich eine einwöchige Kulturreise in Österreich geplant, so dass die Kinder keinerlei Risiken ausgesetzt sind, so dürfte die Zustimmung des anderen Elternteils entbehrlich sein. Das heißt, sowohl der Elternteil, bei dem die Kinder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, als auch der Elternteil, der nur den Umgang ausübt, können eine solche Reiseentscheidung alleine treffen, ohne dies mit dem anderen Elternteil abzusprechen. Ich würde sogar so weit gehen, zu behaupten, dass man den anderen Elternteil noch nicht einmal über die Reisepläne informieren müsste (auch nicht auf Nachfrage). Inwieweit eine solche Informationsverweigerung zu einem harmonischen und konstruktiven Miteinander zu Gunsten des Kindes beiträgt lasse ich mal dahingestellt.

Anders sieht es aber aus, wenn eine Reise in ein exotisches Land oder gar ein Krisengebiet unternommen wird. Die Rechtsprechung hat entschieden, dass bei weiter entfernten Urlaubsorten oder Reisen in Länder, die mit gesundheitlichen Risiken verbunden sein könnten (in dem Fall Ägypten) keine Angelegenheit des täglichen Lebens vorliegt.

Das bedeutet, die Eltern müssen einen Konsens herstellen. Dem anderen Elternteil steht nach dem Wortlaut des OLG München eine Art „Vetorecht“ zu.

Das bedeutet also, wenn ein Elternteil mit dem Kind nach Ägypten oder Thailand reisen möchte, muss der andere Elternteil dem grundsätzlich zustimmen, da es sich nicht um eine Entscheidung des täglichen Lebens handelt. Verweigert der andere Elternteil die Zustimmung, so hat die Reise erstmal zu unterbleiben.

Nun will man aber so gerne in den bereits  gebuchten Urlaub fahren und die Kinder freuen sich auch schon so darauf. Was tun?

Man kann das Gericht anrufen und eine Entscheidung herbeiführen. Die Entscheidung erfolgt auf Grundlage des § 1628 BGB (gerichtliche Entscheidung bei Meinungsverschiedenheiten der Eltern):

Können sich die Eltern in einer einzelnen Angelegenheit oder in einer bestimmten Art von Angelegenheiten der elterlichen Sorge, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, nicht einigen, so kann das Familiengericht auf Antrag eines Elternteils die Entscheidung einem Elternteil übertragen. Die Übertragung kann mit Beschränkungen oder mit Auflagen verbunden werden.

Das Gericht muss also zwei Dinge klären:

  1. Handelt es sich um eine Entscheidung von erheblichen Bedeutung für das Kind?
  2. Ist die Entscheidungsbefugnis im Sinne des Kindeswohls auf einen Elternteil zu übertragen?

Das OLG Hamburg z.B. hat entschieden, dass eine Reise nach Kasachstan mir der Mutter, die aus Kasachstan stammt, eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung ist und der Mutter die Entscheidungsbefugnis zu übertragen ist, da es im Sinne der Kinder ist, wenn sie in den eigenen Kulturkreis zu den Verwandten reisen (OLG Hamburg, 12 UF 80/11).

Das OLG Karlsruhe differenziert ebenfalls nach dem Reiseziel und dem Alter der Kinder. Reisen in Heimatländer bzw. unkritische Reiseziele sind aber danach keine Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung, so dass die Zustimmung des Elternteils nicht erforderlich sein soll. Vor dem Hintergrund fehlender Reisewarnungen für das Reisegebiet, der gebuchten Hotels und der klimatischen Verhältnisse war in dem Fall die Reise nicht als Angelegenheiten von wesentlicher Bedeutung anzusehen mit der Folge, dass eine Zustimmung des Vaters zu derartigen Reisen entbehrlich und somit noch nicht einmal eine gerichtliche Regelung nötig war (OLG Karlsruhe, 16 WF 83/07).

Das OLG Köln hingegen hat eine Reise zur Familie der Mutter nach Russland als eine Reise angesehen, die nicht eine Frage des täglichen Lebens betrifft und somit der Zustimmung des Vaters bedarf. Allerdings wurde der Mutter die Entscheidungsbefugnis nicht übertragen im Hinblick auf das sehr junge Alter des Kindes und die strapaziöse Reise. Nachdem der Vater der Reise nicht zustimmte, musste diese unterbleiben (OLG Köln, 4 UF 232/11).

Es ist also genau zu untersuchen, ob die Reise in irgendeiner Form außergewöhnlich riskant oder für das Kind anderweitig belastend ist. Handelt es sich um eine solche Reise, kann das Gericht eingeschaltet werden, wenn der andere Elternteil der Reise nicht zustimmt, wobei das Gericht seine Entscheidung wie gehabt auf Grundlage des Kindeswohls trifft.