Wann liegen widerstreitende Interessen im familienrechtlichen Verfahren vor, die für den Anwalt kritisch werden können?

Jeder Familienrechtler hat schon einmal mit dieser Art der Interessenkollision zu tun gehabt: der eigene Mandant macht Ansprüche im Rahmen eines Scheidungsverfahrens gegen den Ehegatten geltend, während auch das volljährige Kind Kindesunterhalt vom anderen Elternteil fordert. Die Situation ist eigentlich jedem von uns klar: man kann nicht das volljährige Kind und einen Elternteil gleichzeitig vertreten, da das volljährige Kind einen Unterhaltsanspruch gegen beide Elternteile hat.

Nun hat der BGH eine interessante Entscheidung mit einem großen „JA, ABER“ getroffen.

Der Fall ist gängig: Die Rechtsanwältin vertritt den Mann gegen die Frau im Ehescheidungsverfahren, in welchem auch der Zugewinnausgleich rechtshängig ist. Der volljährige Sohn möchte nun ebenfalls seine Mutter auf Kindesunterhalt in Anspruch nehmen und beauftragt damit just dieselbe Anwältin wie sein Vater.

Eigentlich ein klarer Fall, der die Ablehnung der rechtlichen Vertretung des Kindes fordert.

Der Bundesgerichtshof hat auch in seiner Entscheidung eindeutig festgestellt, dass es sich dabei grundsätzlich um einen Fall der Interessenkollision handelt, da der Zugewinnausgleich und der Unterhaltsanspruch des volljährigen Kindes dieselbe Rechtssache betreffen. Der BGH führt aus:

„…Im rechtlichen Ausgangspunkt stehen die Interessen eines unterhaltsberechtigten volljährigen Kindes im Widerspruch zu denjenigen seiner Eltern, die beide Unterhalt schulden und gemäß § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB anteilig haften. Ein Rechtsanwalt darf daher nicht zugleich die unterhaltspflichtigen Eltern bei der Abwehr des Anspruchs und das unterhaltsberechtigte Kind bei dessen Durchsetzung vertreten. […] Ein Anwalt, der ein volljähriges Kind bei der Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen berät, muss darauf hinweisen, dass sich der Anspruch gegen beide Elternteile richtet. Vertritt der Anwalt bereits einen Elternteil im Rahmen einer unterhalts- oder ehegüterrechtlichen Auseinandersetzung, so ist schon dieser Hinweis geeignet, dessen Interessen zu beeinträchtigen…“

Soweit, so bekannt. Nun bringt der BGH allerdings das ABER und des Juristens liebstes Spielzeug aufs Tablett: der Einzelfall!

Auch in dieser bislang vermeintlich klaren Konstellation dürften die Umstände des Einzelfalles nicht unberücksichtigt bleiben. Maßgeblich sei nämlich, ob der typische Interessenkonflikt auch tatsächlich auftritt.

Im behandelten Fall war der Vater des Kindes bei der Erteilung des Auftrages anwesend, er hat den Gebührenvorschuß gezahlt und ist bis dahin alleine für den Unterhalt seines Sohnes aufgekommen. Entscheidend dürfte sein, dass der Vater eindeutig erklärte, unabhängig vom Ausgang des Unterhaltsverfahrens gegen die Mutter weiterhin für den Unterhalt seines Sohnes aufzukommen. Auch waren Fragen der Schweigepflicht nicht berührt, da der Vater der Rechtsanwältin alle Unterlagen betreffend den Kindesunterhalt zur Verfügung gestellt hatte. Last, but not least wusste der Sohn, dass die Rechtsanwältin auch seinen Vater im Scheidungs- und Zugewinnausgleichsverfahren vertritt.

Der BGH kam daher zu dem Ergebnis, dass es unter Berücksichtigung all dieser Umstände im konkreten Fall bei objektiver Betrachtung an einem Interessengegensatz fehle.

In Zukunft muss man also nicht mehr zwingend das volljährige Kind eiligst zu einem Kollegen schicken, wenn man einen Elternteil vertritt – es kommt allerdings auf die konkreten Umstände an.