Ein neues Jahr ist angebrochen, wir lassen das Vergangene hinter uns und wenden uns Neuem zu. Das neue Jahr beginnt bekanntlich mit guten Vorsätzen und so will ich mich auch meinem Neujahrsvorsatz widmen und meinen Blog mit Neuigkeiten versorgen.

Beginnen wir das Jahr mit zwei pikanten und interessanten Entscheidungen des BGH aus dem Jahr 2012, die mehr oder weniger denselben Sachverhalt aufweisen und in welchem sich die Frage stellt, ob und inwieweit eine Frau ihrem Ehemann einen Seitensprung zu beichten hat.

Das ist nun natürlich etwas vereinfacht formuliert, denn der Fragestellung liegt auch ein Anspruch und ein komplexer juristischer Sachverhalt zugrunde.

Die Ausgangssituation war wie folgt: Während der Ehe, genauer gesagt im Zeitraum von 4 Jahren vor dem Scheidungsantrag hatte der Ehemann seiner Ehefrau drei größere Zuwendungen gemacht. Das Scheidungsverfahren wurde 2004 eingeleitet. Im Jahr 2000 diente die Geldzuwendung dem Erwerb des Miteigentumsanteils an einer Immobilie. Im Jahr 2001, als die Ehe eigentlich schon am Ende war erfolgte eine Zuwendung, damit die Ehefrau eine Immobilie zum Alleineigentum erwerben konnte. Schließlich floß 2002 noch einmal Geld, damit die Frau ein Haus erwerben und zusammen mit dem damals 21-jährigen Sohn einziehen konnte. Offenbar kamen dem Ehemann zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt Zweifel an seiner Vaterschaft, die er im Laufe des Scheidungsverfahrens angefochten hat. Vermutlich zum Bedauern der meisten Beteiligten erwies sich diese Vaterschaftsanfechtung auch noch als erfolgreich. Die Frau erklärte, sie habe all die Jahre gehofft, dass ihr Ehemann auch tatsächlich der Vater sei. Es ist also anzunehmen, dass der Ehemann ausgesprochen erzürnt war, in jedem Fall fühlte er sich hintergangen, was ihn veranlasste, die seiner Ehefrau zugewandten Gelder zurückzuverlangen.

Es waren dabei vom BGH verschiedene Fragen zu beantworten. Die Frage, ob es sich um eine unbenannte Zuwendung handelte, wurde vom BGH richtigerweise zumindest für die Zuwendungen nach gescheiterter Ehe (2001 und 2002) eindeutig verneint und er ist von einer Schenkung ausgegangen (BGH XII ZR 47/09). Hinsichtlich der Zuwendung aus dem Jahr 2002, die sowohl der Frau als auch dem Sohn zugute kam sei die Annahme der leiblichen Vaterschaft auch Geschäftsgrundlage geworden. Dies gelte allerdings nicht für die anderen Zuwendungen, da nicht erkennbar sei, dass diese im Vertrauen auf eine tatsächliche Vaterschaft vorgenommen wurde. Das bedeutet, dass er hinsichtlich der Zuwendung aus dem Jahr 2001, die auch mittelbar dem Sohn zugute kam eine Rückforderung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage bejahte, hinsichtlich der anderen Zuwendungen, die ausschließlich Absicherung und Versorgung der Ehefrau dienen sollten verneinte. Insbesondere gilt das ohnehin für die aus dem Jahr 2000, da hier die Ehe noch intakt war (BGH XII 203/09)

Bis dahin stellen sich die beiden Entscheidungen relativ unspektakulär dar und können durchaus nachvollzogen werden. Interessant wird es vielmehr danach.

Denn der Mann hat die Zuwendung der Gelder an die Frau wegen arglistiger Täuschung angefochten, wobei die arglistige Täuschung ganz offenkundig im Umstand des Verschweigens der möglichen Vaterschaft eines Dritten bestand. Diesen Einwand hatte das zuvor befasste OLG München zurückgewiesen, da es im Schweigen keine Arglist sah. Der BGH hingegen hält durchaus einen Rückgewähranspruch für möglich und führt ausdrücklich aus, dass er von einer ungefragten Offenbarungspflicht der Frau ausgehe, dass der Sohn möglicherweise von einem anderen Mann abstamme.

Ich finde das hochinteressant, denn in Konsequenz verpflichtet das die Ehefrau ja, den Ehebruch, der womöglich zur Geburt eines Kindes führt zu gestehen, wenn sie nicht Gefahr laufen will, selbst lange nach Scheidung der Ehe Rückgewähransprüchen ausgesetzt zu sein, falls ein Zufall die wahre Vaterschaft ans Tageslicht bringt. Eine Offenbarungspflicht bezüglich Kuckuckskindern.

Die Entscheidung ist meiner Ansicht nach nicht unproblematisch, weil der BGH dabei auch zu einer Art moralischer Instanz wird. Das Verhalten der Frau ist moralisch sicher kritisch zu würdigen, aber darum geht es in der Rechtsprechung nun einmal nicht. Wenn die Rechtsprechung anfängt, mangelnde Ehrlichkeit in einer Beziehung durch die Gewährung von Anfechtungsrechten abzustrafen, so dürfte das zu kaum lösbaren Konflikten und einer unübersehbaren Fülle von Verfahren führen.

Ich halte eine derart weitreichende „was-wäre-wenn“- Rückschau nach gescheiterter Ehe für riskant. Denn nicht einmal der Ehemann wird gerade nach Scheitern der Ehe mit Sicherheit sagen können, wie er reagiert hätte, wenn ihm der Umstand früher bekannt gewesen wäre. Vielleicht hätte er der Frau den Seitensprung verziehen, wenn sie ihn sofort gebeichtet hätte. Hätte er erst 15 Jahre später davon erfahren, hätte er möglicherweise seiner Frau nicht verziehen, aber das Kind dennoch weiter begünstigen wollen, da er es schließlich schon seit 15 Jahren wie ein eigenes Kind liebte. Hier automatisch davon auszugehen, der Mann hätte weder seine Frau noch das Kind bei Kenntnis der wahren Umstände unterstützt ist wohl mutig. Nach einer britischen Studie (http://de.wikipedia.org/wiki/Kuckuckskind) beträgt der Anteil an Kuckuckskindern 3,7 %. Diese Entscheidung hat daher sicherlich nicht die größte Praxisrelevanz, zumal ja in diesen Fällen auch noch Zuwendungen hinzukommen müssen. Allerdings bleibt abzuwarten, ob sich der BGH noch zur moralischen Instanz entwickelt. Vielleicht bleibt Ehrlichkeit in der Beziehung nicht mehr nur Wunsch, sondern wird sogar einklagbar? Wo liegt die Grenze gesetzlicher und richterlicher „Einmischung“ in den höchstpersönlichen Lebensbereich?

In einer anderen Entscheidung aus dem Jahr 2012 (BGH XII 137/09) hatte der BGH darüber zu entscheiden, ob eine Frau wegen eines schwerwiegenden Fehlverhaltens gemäß § 1579 Nr.7 BGB den nachehelichen Unterhaltsanspruch verliert, wenn sie dem Ehemann verschweigt, dass er möglicherweise nicht der Vater des Kindes ist. Mann kann möglicherweise darüber streiten, inwieweit dies angemessen ist. Es ist eine Bewertungsfrage, die den Gerichten überlassen bleibt, wie das „Fehlverhalten“ in der Vorschrift auszulegen ist. Allerdings hat dies nicht dieselben weitreichenden Folgen wie der Rückgewähranspruch nach der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung.